Er tobt wieder, der Kampf von Gut gegen Böse in der neusten Star Wars Episode. Es ist das alte Thema von Hass und Liebe.
Der Mythos des „Bösen“ ist vermutlich so alt wie die Menschheit.
Nun ist es allerdings so, dass die angeblichen Grundgefühlszustände von Liebe und Hass in der modernen Emotionsforschung keinerlei Rolle mehr spielen. „Liebe“ und „Hass“ sind lediglich Umschreibungen, die Menschen wählen, während der tatsächliche körperliche Gefühlszustand eine sogenannte Basisemotion ist. Die entscheidenden verhaltensbestimmenden körperlichen Zustände sind Wut, Angst, Freude und Traurigkeit.
Wer ist nun also „böse“ bzw. was ist das?
Ist der Wütende „böse“?
Han Solos Sohn schlüpft in der neuesten Starwarsepisode in die Maske von Darth Vader, seinem Großvater. Bei Misserfolg zertrümmert er die Einrichtung des Todessterns und er streckt seinen eigenen Vater nieder, scheinbar ohne jedes Mitgefühl. Er wird von der Wut bewegt und er lässt seiner Wut freien Lauf, weil er meint, dies sei aus bestimmten Gründen notwendig.
Die Wut selbst, als körperlicher Zustand, ist nicht negativ. Dieser Zustand besteht in angespannten Muskeln und einer aufgerichteten Körperhaltung. Wie man diese Kraft anwendet, ist das Entscheidende und das hängt davon ab, wie wir selbst als bewusste, nachdenkende und uns selbst wahrnehmende Wesen unseren Körper steuern. Die Wutausbrüche von Han Solos Sohn sind ungesteuert und richten sich auf alles was in die Quere kommt. Auch die Angehörigen der Terrormiliz IS lassen ihrer Wut freien Lauf, weil sie der Überzeugung sind, dass es die „Mächte des Bösen“ in Gestalt des unmoralischen ungläubigen Westens sind, die es zu bekämpfen gilt und gegen die es erlaubt ist, ihrer Wut in Form tatkräftiger Aggression freien Lauf zu lassen.
Neben der emotionalen Bewegtheit von Wut, Angst, Freude und Traurigkeit gibt es noch die Beweggründe. Wenn nun also die Bewegtheit selbst nicht an sich „böse“ ist, so ist zu fragen, ob es die Beweggründe sind. Die Beweggründe der IS-Kämpfer beruhen auf der vereinfachenden Sicht von Gut und Böse und der Kampf ist für sie das legitime Mittel. Von einem Martin Luther King oder einem Jesus, die die Gewaltfreiheit lebten und predigten, haben diese Kämpfer vermutlich noch nie etwas gehört. Wenn man seiner Wut freien Lauf lässt, führt dies zu Grenzüberschreitung, Abwertung, Schwarz-Weiß-Denken und übertriebener Härte. Der „Hass“ der IS-Kämpfer ist nichts anderes wie Wut, der die Zügel gelassen werden. Hass ist also Wut + Überzeugung. Eine Religion oder auch eine Erziehung sollte eine Kultivierung des Emotionalen beinhalten. Wenn dies von einer Religion nicht geleistet wird, so versagt diese an der entscheidenden Stelle.
Die Religionen selbst sind es, die von alters her zwischen gut und böse unterscheiden. Es wird als eine ethische Weiterentwicklung des Menschen betrachtet, dass er in der Lage sei, gut und schlecht zu erkennen, um dann zwischen diesen beiden wählen zu können.
Die Unterteilung in „gut“ und „böse“ und auch die Unterteilung der Emotionen in gut und schlecht ist aber selbst das Übel, für dessen Heilung es sich erkoren hat. Ist die Traurigkeit ein negativer schmerzvoller Zustand? Nein! Die Traurigkeit besteht in muskulärer Erschlaffung und wir werden bedächtig, langsam, weich und schwer. Wir strahlen Bedürftigkeit aus und sollten Zuwendung, Nähe und Zusammenhalt erfahren. Aus dem Kummer sollte ein Kümmern erwachsen. Ist die Angst ein Übel an sich? Nein!!, denn sie ist der körperliche Zustand, der die Voraussetzung von Sensibilität, Fürsorge, Vorsicht und Achtsamkeit ist. Die Angst ist der Ausgangspunkt auch zu Übervorsicht, Überfürsorge, Übersensibilität, Verschlossenheit, Unbeweglichkeit aber deswegen ist der körperliche Zustand der Angst trotzdem keine Störung sondern es kommt auf den richtigen Umgang damit an. Es gilt, die Potenziale von Wut, Angst, Traurigkeit und Freude zu entfalten und deren Gefahren zu entschärfen – das ist die Kultivierung des Emotionalen. Wenn etwas „gestört“ ist, dann der Umgang mit unseren emotionalen Bewegtheiten. Gibt es das „böse“ in der Justiz?
Böse ist, wer böses tut. Für die Justiz ist das ein klarer Fall. Die Beweggründe von Menschen werden von Juristen genauso wenig betrachtet, wie einem Juristen die Formen der (emotionalen) Bewegtheit bekannt sind. In den Gerichtssälen in aller Welt sind die Richter Menschen, wie alle anderen und folgen insgeheim der Vorstellung von gut und böse. Wenn ein Richter etwas anderes wäre als ein rein bestrafender Amtsträger und wenn er ein tatsächlicher Vollstrecker des Volkswillens sein möchte, so müsste er den Menschen zumindest den Auftrag geben, ihre Emotionen zu kultivieren und ihre eigenen Beweggründe zu verstehen. Jeder Mensch sollte seine Beweggründe bzw. Bedürfnisse kennen, um sich besser um diese kümmern zu können. Die Beweggründe der Menschen beruhen immer darauf, Gesehen zu werden, Verstanden zu werden, gemocht bzw. wertgeschätzt zu werden, dazuzugehören, Nähe und Distanz im Wechsel zu erfahren und immer genügend an Input bzw. interessanter Information zu erhalten. Viele Menschen sind jedoch in ihrer Bewegtheit unentwickelt, in ihrem Umgang mit dieser Bewegtheit ungebildet und unwissend bezüglich ihres Brauchens. Es ist die emotionale Unentwickeltheit und die Unwissenheit über Brauchen und Fühlen oder auch falsche Überzeugungen, aus denen Gewalt, Abwertung und Unfrieden mit sich selbst und anderen erwachsen.
Noch im Tod, von seinem Sohn niedergestreckt und im Fallen, streichelt Han Solo seinem Sohn trotz dessen maximaler Aggression liebevoll über die Wange. Das ist Sanftheit und Zärtlichkeit, die im Augenblick nichts zu bewirken scheint aber jedem im Gedächtnis bleibt, der das gesehen hat. Diese Geste von Han Solo ist stärker als das Lichtschwert, das seinen Körper durchdringt. Als Jesus von den Soldaten des Königs festgenommen wurde, wollten seine Gefolgsleute gegen die Aggression dieser Festnahme einschreiten und kämpfen. Jesus jedoch hielt sie – so weit es ihm möglich war – von der Gegenaggression ab und ließ sich abführen. Ans Kreuz genagelt sagte Jesus noch: „Vergib Ihnen, denn Sie wissen nicht was sie tun.“ Diese Worte lagen unsichtbar auch auf Han Solos Lippen als sein eigener Sohn in tötet.
Die Übertreibungen von Gut und Böse, Engel und Teufel und auch die Überhöhung von Liebe und Hass haben mit der Natur des Menschen gar nichts zu tun. Diese ganzen Schwarz-Weiß-Malereien sind die überholten Versuche der bisherigen religiösen Ethikwächter, mit denen der Mensch als aggressives Tier irgendwie kultiviert werden soll. Wer den Menschen jedoch wirklich kultivieren will, der muss den Menschen als intelligentes Säugetier in seiner emotionalen Bewegtheit und seinen Beweggründen verstehen. Die Zeit der Religionen als moralische Instanzen hat in entscheidenden Aspekten ausgedient und muss beendet werden, auch wenn dieser Kampf von Gut gegen Böse, von Darth Vader gegen Jesus so immens spannend ist.