Emotionale Entwicklung
Was ist der Unterschied von Emotion und Gefühl (eine umfassende Gefühlstheorie)
Mit „Emotion“ bezeichnet man den körperlichen Teil eines Gefühls, der seinen Ursprung im Limbischen System hat, während man mit „Gefühl“ einen Oberbegriff hat, der ebenso kognitive Prozesse umfasst. Das Denken als ein Teil kognitiver Prozesse hat seine Basis wiederum im immens vergrößerten Vorderhirn, dem Großhirn, auch Neocortex genannt. (siehe Menüpunkt „Denken“)
Das was wir tatsächlich „fühlen“ können, bewegt sich in grundlegenden körperlichen Kategorien und diese werden im Wesentlichen bestimmt durch unsere Muskeln, die angespannt-aufrichtend (Wut), angespannt-verengend (Angst), entspannt-beweglich (Freude) oder erschlafft-schwer (Traurigkeit) sein können. Der Herzmuskel und die Atemmuskulatur erzeugen zusätzlich spezifische Qualitäten. Das Herz erzeugt Unruhe oder wirkt ruhig und die Atmung ist frei-beweglich und tief oder beklemmt und flach. Noch als wichtig genannt werden kann die Verdauungsmuskulatur, deren Aktivitätsveränderung in Richtung Anspannung-Verengung durch die Vielzahl der dort liegenden Nervenbahnen besonders gut spürbar ist. Es sind in jedem Fall aber die Veränderung von Muskelzuständen, die gespürt werden können.
Aus der Begrenztheit wie Muskelzustände sein können, ergibt es sich, dass es nur die grundlegenden vier Emotionen Wut, Angst, Freude und Traurigkeit geben kann ! Diese „Emotionen“ bewegen uns in jeweils sehr spezifischer Weise und dabei werden die Muskeln des gesamten Körpers gleichzeitig in gleicher Weise verändert. Jede der vier Emotionen weist ihr eigenes Körperprofil auf.
Daneben gibt es noch die Zustände von Abscheu, Ekel und Überraschung, die uns aber weit weniger grundlegend bewegen und auch weniger bedeutsam sind. Darüber hinaus können wir noch Schmerz, Müdigkeit, Hunger und Durst empfinden, etwas schmecken, Berührungen wahrnehmen und auch sexuelle Erregung fühlen. Die vier entscheidenden Verhaltensaktivatoren, die wir auch spüren können, sind jedoch die genannten vier Emotionen. Im Unterschied z. B. zum Schmerz finden die vier Basisemotionen ganzkörperlich statt, das heißt, dass bei diesen sowohl Muskeln, Herz und Atmung betroffen sind und auch die Wahrnehmung verändert wird. Auch sexuelle Erregung und Müdigkeit bringen eine ganzkörperliche Zustandsveränderung mit sich, jedoch sind diese beiden mitnichten so allgegenwärtig und spezifisch verhaltensbestimmend wie Wut, Angst, Freude und Traurigkeit.
Was also ist eine Emotion ?!
Eine Emotion ist eine spezifische ganzkörperliche Bewegtheit, die das Verhalten, Denken und Wahrnehmen eines Menschen in eine ganz bestimmte Richtung auslenkt. Die ganzkörperliche Bewegtheit hat ihren Ursprung im subkortikalen Teil des Gehirns, dem Zwischenhirn. Vom Zwischenhirn (vor allem dem Limbischen System) ausgehend, werden Denken und Verhalten vorstrukturiert, um einen Menschen genügend „leicht“, „schwer“, „groß“, „klein“, „eng“, „weit“ usw. zu machen. Dies geschieht schnell und damit vor einem Überdenken/Reflexion dieser Reaktion.
Man könnte auch in einer Metapher sagen, dass der Ton einer Emotion in den subkortikalen Schaltkreisen angeschlagen wird und im gesamten Körper seinen Klangkörper hat und dort seine spezifische Qualität entfaltet.
Die genannten vier Bewegtheiten (Emotionen) sind der körperliche Grundbaustein alle „Gefühle“.
Da zu der körperlichen Bewegtheit noch unser Denk- und Wahrnehmungsvermögen (siehe unbedingt hierzu Menüpunkt „Was ist Denken“) hinzukommt, kommt es zu einer scheinbaren Vielfalt unseres Fühlens. Dieser Eindrück trügt, denn in Wahrheit ist die körperliche Basis unseres Fühlens sehr überschaubar.
Es ergibt sich die folgende Grundformel zur Beschreibung jeden Gefühls:
Gefühle = körperliche Bewegtheit (eine der vier Emotionen) + Denken (vergleichen, wahrnehmen, vorstellen, allgemein Informationen verarbeiten)
bzw.
Gefühl = subkortikale Aktivierung/Verarbeitung (schnell/“einfache Wahrnehmung“) + kortikale Verarbeitung („komplexerer Wahrnehmungsprozess“ und Denken/Überdenken)
Kurz:
Gefühl= Emotion + Kognition
Beispiele:
Neid = Wut oder Traurigkeit vor dem Hintergrund von sozialem Vergleich
Stolz = Freude am Erfolg nach längerem und größerem Aufwand und in einem Vergleich mit anderen
Erschrecken = Angst im Zusammenhang mit eventuell bedrohlicher Neuinformation
Trauer = Traurigkeit im Zusammenhang mit Tod oder Abschied
Wehmut= Traurigkeit im Zusammenhang, etwas Schönes der Vergangenheit zu erinnern
Gewalt= unverankerte Wut plus eine Überzeugung, dieser Bewegtheit die Zügel zu lassen, weil jemand diese Bestrafung auch verdient habe. (unverankerte Wut bedeutet unter anderem, dass jemand nicht weiß, wie sehr die Wut die Wahrnehmung und die Beurteilung verändert und extremisiert)
Unsicherheit= Angst im Zusammenhang damit, dass jemand meint, zu wenig Kontrolle oder Information zu haben, um eine Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können
Glück= umfassende Freude, weil wesentliche Lebensaspekte erfüllend und befriedigend gegeben sind, so vor allem der Aspekt intensiver zwischenmenschlicher Bezugnahme
usw.
Jedes „Gefühl“ läßt sich also zerlegen in
eine schnelle subkortikale Aktivierung (Säugetiergehirn), durch die eine gesamtkörperliche Aktivität veranlasst wird (schnelle Umweltanpassung)
und
eine komplexere Verarbeitung durch Denk- und Vorstellungs, Erinnerungs- und Vergleichsaktivität, (verortbar im Neocortex bzw. Großhirn)
(noch bessere Umweltanpassung durch Überdenken, Bewusstsein und erhöhte Lernfähigkeit)
Diese von mir entwickelte Gefühlstheorie habe ich in meinem Buch ausführlich erläutert, logisch hergeleitet und auch auf vielfältige Weise bewiesen. Die Konsequenzen dieser Theorie betreffen jeden Menschen, da sie das bisherige Verständnis grundlegend erschüttern. Ausgehend von dieser Theorie wird verständlich, was emotionale Entwicklung ist, was die Psyche ist, wie der Charakter eines Menschen entsteht, worin psychische Störung liegt, was die Würde des Menschen ist, wodurch Gefühlsfreiheit und Gefühlsregulation möglich wird, worin Glück liegt, wie Gewalt entsteht, worin die Identität des Menschen besteht und wie sie entsteht usw…
Die neurobiologische Foschung (u.a. Gerhard Roth) legt nahe, dass das Fühlen das Denken stärker bestimmt, als es umgekehrt der Fall ist, wie bisher angenommen!
In der folgenden Grafik wird die ganzkörperliche spezifische Bewegtheit bildlich veranschaulicht.